Vorhabenbeschreibung

Vorhabenbeschreibung

Hintergrund

Der Energiesektor befindet sich in einem Umbauprozess. Erneuerbare Energien haben 2013 in Deutschland erstmals einen Anteil von 23,4 % an der Stromerzeugung erreicht. Kurz- und mittelfristig wird der Anteil von dezentralen Energieerzeugern weiter zunehmen und einen deutlichen Anteil an der Grundlastversorgung einnehmen. Schwankende Energiemengen aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen dürfen nicht zu Qualitätseinbußen, d. h. einer Abweichung von der 50 Hz-Frequenz und der Spannungsstabilität, im Stromnetzbetrieb führen. Zum Ausgleich und zur Vermeidung der temporären Abregelung dieser Erzeuger ist ein entsprechendes Potenzial an Regelenergie und in Zukunft auch an Speichermöglichkeiten erforderlich. Die regionale Wasserwirtschaft in Deutschland kann mit ihren energetischen Speicher- und Erzeugungsmöglichkeiten zur Erreichung der energiepolitischen Ziele beitragen.

Ziele

Übergeordnetes Ziel des Verbundvorhabens  ARRIVEE ist die Integration der in Deutschland flächendeckend vorhandenen Kläranlagen mit separater, anaerober Schlammstabilisierung in ein optimiertes Regelenergie- und Speicherkonzept. Mit dem Projekt soll eine Systemlösung zur Integration von Kläranlagen mit separater, anaerober Schlammstabilisierung in ein Speicher- und Regelenergiekonzept entwickelt werden. Dazu sollen die hervorragenden technischen Voraussetzungen von Kläranlagen mit anaerober Stabilisierung, i. b. die vorhandenen KWK-Anlagen und die zugehörigen Gasspeichern, gezielt genutzt werden. Mit eigens entwickelten Lösungsansätzen sollen damit System- und Netzdienstleistungen für Verteil- (Spannungshaltung) und Übertragungsnetze (Frequenzhaltung mit Hilfe von Regelenergie) zur Verfügung gestellt werden, die heute und in Zukunft durch den zunehmenden Ausbau der stark fluktuierend anfallenden erneuerbaren Energien Wind und Sonne erforderlich sind.

Hierzu gilt es, das Klärgas, das auf diesen Anlagen bei der anaeroben Schlammfaulung mit einem Methangehalt von rund 65 % anfällt, nach Zwischenspeicherung nicht allein nach Erfordernissen des Kläranlagenbetriebs zu verwenden. Die Verstromung in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) mit sogenannten Blockheizkraftwerken (BHKW) zur Eigendeckung des Stromverbrauchs für die Behandlung des zugeführten Abwassers und des anfallenden Überschussschlamms ist vielmehr auf das Regelenergie- und Speicherkonzept abzustimmen. Dabei erfolgt eine Überprüfung weiterer Anlagenkomponenten zur Bereitstellung dieser Dienstleistungen unter den Aspekten der Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit.  

Arbeitsschwerpunkte

In dem Vorhaben ARRIVEE wird dazu in ineinandergreifenden Arbeitspaketen eine integrierte Systemlösung an der Schnittstelle zwischen Abwasser- und Energiewirtschaft in Form einer Managementstrategie mit Handlungsempfehlungen für Stakeholder der Region entwickelt. Ergänzend werden Aussagen für einen flächendeckenden Einsatz der Techniklösungen in Deutschland erarbeitet. Dies beinhaltet die Identifikation und Analyse von möglichen Regelenergiebausteinen auf Kläranlagen sowie die Ermittlung der sich daraus ergebenden Potenziale an Systemdienstleistungen für die Energienetze und die Beurteilung weiterer positiver Effekte, wie z. B. ein vermiedener Netz-ausbau. Basierend auf den vielfältigen Möglichkeiten, die sich auf der Kläranlage für die Speicherung und Umwandlung von überschüssigem Strom aus fluktuierenden erneuerbaren Energien (EE-Strom) ergeben, werden für den Standort Kläranlage Ansätze für Regelenergiekonzepte erarbeitet, technische Anlagenkonzepte für deren Umsetzung entwickelt sowie die Auswirkungen auf Betrieb und Energiebilanz der Kläranlage und die vorgelagerten Verteilnetze analysiert.

In Abhängigkeit der Verwertungsmöglichkeiten vor Ort sowie der Effizienz der Umwandlungsschritte  wird ein gestuftes Nutzungskonzept für überschüssigen EE-Strom entwickelt. Am Beispiel der Kläranlage Radevormwald wird das Zusammenspiel von Markt, Netzlast und Kläranlage näher betrachtet. Mit Hilfe eines mathematischen Modells dieser Musterkläranlage werden die Auswirkungen durch externe Regeleingriffe zur Bereitstellung von Systemdienstleistungen unter unter-schiedlichen Rahmenbedingungen (wie z. B. fortschreitender Ausbau der erneuerbaren Energien) betrachtet und analysiert. In einem weiteren Schritt werden einzelne Regelbausteine der Kläranlage in ein virtuelles Kraftwerk eingebunden, um die Praktikabilität der zuvor theoretisch untersuchten Möglichkeiten aufzuzeigen. Dafür wird eine vorhandene Steuerungs- und Kommunikationstechnik zur Einbindung von Regelenergieeinheiten auf die kläranlagenspezifischen Anforderungen angepasst und getestet.

Durch diese Einbindung von Kläranlagen ergibt sich eine intelligente Mehrfachnutzung bereits vorhandener Anlagentechnik, mit deren Hilfe ein Beitrag zu optimalen Nutzung der Energiepotenziale aus der Erzeugung erneuerbarer Energien erfolgen kann. Diese Möglichkeiten und Potenziale werden im Rahmen von ARRIVEE nach ökonomischen Kriterien sowohl aus energiewirtschaftlicher Sicht als auch der Sicht der Kläranlagenbetreiber analysiert und bewertet. Die verfahrens-technischen, energietechnischen und ökonomischen Arbeitspakete werden mit einem energiepolitischen-energierechtlichen Arbeitspaket verknüpft. Hier werden insbesondere die energierechtlichen und energiepolitischen Rahmenbedingungen und deren Veränderungsmöglichkeiten unter-sucht. Dazu werden mit Hilfe von Experteninterviews und Workshops Szenarien zu Lösungsansätzen für die Anpassung der politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen entwickelt.

Mit Erreichen der Projektziele wird ein wesentlicher Beitrag zur inhaltlichen und technischen Verknüpfung technischer Infrastrukturen der Abwasserwirtschaft und der Energieversorgung geleistet. Dies erlaubt eine Quantifizierung des Regelenergiepotenzials von Kläranlagen als flächendeckend vorhandene, öffentliche  Infrastrukturanlage und eine Eignungsbewertung unterschiedlicher Regel-und Speicherkonzepte für die Anforderungen seitens zukünftiger Betriebszustände des Energie-netzes. Die neuen Erkenntnisse tragen maßgeblich zur Integration von Kläranlagen mit separater, anaerober Schlammstabilisierung  in ein Speicher- und Regelenergiekonzept im Rahmen der Energiewende bei.

Die Ergebnisse lassen weiterhin einen wesentlichen Beitrag zur deutlichen Effizienzsteigerung von Abwasserreinigungsanlagen – sowohl kommunal als auch industriell – erwarten. Die vorhandenen Infrastrukturanlagen können für stark verändernde Rahmenbedingungen zukunftsfähig, betriebssicher sowie ökologisch und ökonomisch effizient gestaltet und betrieben werden. Durch die neuen Erkenntnisse zur Integration von Abwasserbehandlungsanlagen in zukünftige Energiespeicher- und Regelkonzepte im Rahmen der Energiewende wird das Verbundvorhaben ARRIVEE einen Beitrag dazu leisten, dass Kommunen die Dienstleistung der Abwasserentsorgung als Daseinsvorsorge langfristig erbringen können.



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